100 Jahre Müller-Thurgau
Der Angreifer war kaum mehr als einen Millimeter groß, aber innerhalb weniger Jahre wurde er für die >Jahrtausende alte europäische Weinkultur zu einer existentiellen Bedrohung. Viteus vitifolii – die Reblaus – >sorgte andererseits dafür, dass Regensburg 2013 das Jubiläum 100 Jahre Müller-Thurgau mit Fug und Recht >mitfeiern konnte. Denn an den Winzerer Hängen wurde 1913 die Rebenbeobachtungsstation Oberwinzer >gegründet und schon 1921 wurden hier 90 Liter von Deutschlands erstem Müller-Thurgau ausgebaut.
Die Rebsorte war 1882 von dem Botaniker und Rebenzüchter Professor Dr. Hermann Müller, der aus dem >Schweizer Kanton Thurgau stammte, aus den Rebsorten Riesling und Silvaner gekreuzt worden, um "die >edle Art des Rieslingsweins" mit der durch frühe Reife bedingten "Fülle und Ergiebigkeit des Sylvaners zu >verbinden". Eine Genanalyse ergab 2001 interessanterweise, dass der Müller-Thurgau aus genetischer >Sicht aber eine Mischung aus Riesling und Madeleine-Royale ist.
Auf der Suche nach einer reblausfreien Zone stießen Anfang des 20. Jahrhunderts die Landesinspektoren für >Weinbau auf die schon von den Römern (Winzerer Weingeschichte) zum Weinbau genutzten Winzerer Hänge und >errichteten hier eine Quarantäne-Anlage, in der nicht nur die Wuchs- und Fruchteigenschaften der "neuen" Sorte >Müller-Thurgau beobachtet, sondern auch ein möglicher Reblausbefall mit umfangreichen Schutz- und Prüfmaßnahmen >erfolgreich verhindert wurde.
Nicht verhindern konnten die Reblauswächter, dass 1920 laut dem Bericht von Landwirtschaftsrat Trenkle >"die wenigen vorhandenen Trauben am 12. Oktober von der Winzerer Schuljugend geplündert wurden". Die >traubenbegeisterten Buben fingen sich eine "energische Verwarnung" ein und die Reben bekamen zur Reifezeit >einen zusätzlichen Wachposten …
1928 wurde die Oberwinzerer Quarantänestation dann allerdings überflüssig. Der Müller-Thurgau hatte es dank >der Einführung der Pfropfrebe (europäische Rebsorten werden auf reblausresistente amerikanische Wildreben >gepfropft) in alle wichtigen deutschen Weinbaugebiete geschafft. 1950 stieg der Müller-Thurgau neben Riesling >und Silvaner zur drittgrößten Sorte in Westdeutschland auf. Zwischenzeitlich Spitzenreiter unter den deutschen >Weinen, ist der Müller-Thurgau seit 1995 an zweiter Stelle – und dank der Reanimierung des Winzerer Weinanbaus >durch Dr. Riess 1949 kann sich der ehemals erste deutsche Müller-Thurgau heute in seiner Wiege auch >Regensburger Landwein nennen.
2013 feierte die Stadt Regensburg das Jubiläum > "100 Jahre Müller-Thurgau in Regensburg" mit der Herausgabe einer Sonderbriefmarke > und der Errichtung einer speziellen Schautafel in Oberwinzer.